Priming: So gehen Patientinnen gestärkt in die Krebstherapie



Zur Vorbereitung von Krebspatientinnen auf die Operation und Chemotherapie ist die sogenannte Prehabilitation, sprich die „Rehabilitation" vor der Therapie, mittlerweile an vielen Kliniken und Kompetenzzentren etabliert. Die Berliner Charité geht mit einem neuen Konzept, dem „Priming", noch einen Schritt weiter. Prof. Dr. Jalid Sehouli erklärt, was es mit dem Priming auf sich hat.


Bei der Prehabilitation handelt es sich um gezielte Mals-nahmen, die vor der Krebstherapie ergriffen werden, um die körperliche und seelische Verfassung von Patientinnen zu verbessern oder aufrechtzuerhalten. Auch Studien belegen, dass Frauen die Operation und medikamentöse Therapie mithilfe dieser vorbereitenden Maßnahmen besser vertragen. Das Priming (Englisch für „Vorbereitung") ist ein neuer Bestandteil des Prehabilitationskonzeptes, welches noch zielgerichteter auf das konkrete Erkrankungsbild und die individuelle gesundheitliche Situation der Patientinnen orientiert ist.

 

„Frauen mit Eierstockkrebs haben eine besondere Situation, die eine spezifische Vorbereitung vor der Operation und medikamentösen Behandlung erfordert", weiß Prof. Dr. Jalid Sehouli, Leiter des Europäischen Kompetenzzentrums für Eierstockkrebs. „Ein Beispiel ist die Blutarmut, also Anämie, die mit der Eierstockkrebs-Symptomatik einhergehen kann. Wird diese nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, besteht die Gefahr, dass die Chemotherapie das Beschwerdebild noch weiter verschlechtert. Die Behandlung von solch spezifischen Begleiterscheinungen war bisher noch nicht ausreichend in den prehabilitativen Maßnahmen abgedeckt."

 

Die drei Grundpfeiler des Primings

Beim Priming handelt es sich um eine multimodale Vorbereitung, um die Krebsbehandlung in allen Dimensionen so gut wie möglich zu überstehen. Die Grundpfeiler des Konzepts sind die körperliche, psychische und soziale Ebene. Sowohl bei der Erstdiagnose als auch bei einem Rückfall (Rezidiv) besteht in der Regel genügend Zeit für die Stärkung des Gesundheitsstatus. Sehouli sagt: „Für Prehabilitation beziehungsweise Priming bleiben vier bis fünf Wochen Zeit, ohne dass durch die Verzögerung der Behandlung ein Prognosenachteil entsteht."

 

1. Die körperliche Ebene

„Auf der körperlichen Ebene geht es bei Eierstockkrebs-Patientinnen insbesondere darum, Begleiterkrankungen zu erkennen, zu behandeln, oder die bereits verordneten Medikamente optimal einzustellen. Vor allem Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen stehen dabei im Fokus, ebenso die Blutarmut", erklärt der Gynäkologie-Direktor der Chari-té. Die Priming-Strategie schließt dabei auch Aspekte der Prehabilitation ein, mit denen der Kraft- und Konditi-onsstatus der Patientinnen verbessert werden soll. Bereits kurze Übungseinheiten reichen dabei aus, um positive Veränderungen herbeizuführen. Bei Frauen, die unter krankheitsbedingten Schmerzen leiden, ist es außerdem sinnvoll, schon vor einer medizinischen Maßnahme die Schmerztherapie zu optimieren. Auch Erkrankungen des Hormonsystems, z. B. durch die Überprüfung der Schild-drüse, sowie die richtige Medikamenteneinstellung und Ernährung bei Diabetes sollten berücksichtigt werden.

 

2. Die psychische Ebene

Priming auf psychischer Ebene bedeutet vor allem Information und Aufklärung: über die Erkrankung und Therapie, über Wirkungen und Nebenwirkungen und ergänzende Themenbereiche. Prof. Sehouli ist überzeugt:

„Wissen kann maßgeblich dazu beitragen, Ängsten zu begegnen und die Erkrankung und die Therapie besser zu verkraften. Daneben nehmen Partnerinnen, Angehörige sowie Selbsthilfegruppen eine wichtige Funktion für die psychische Stärkung der Betroffenen ein." Darüber hinaus sollte grundsätzlich allen Frauen von Beginn an psychoonkologische Unterstützung angeboten werden.

 

3. Die soziale Ebene

Auch das soziale Umfeld hat einen Einfluss auf die Gesamtprognose. „Wir empfehlen Patientinnen und ihren Angehörigen daher, so früh wie möglich praktische Hilfe zu organisieren und Hilfsangebote wirklich zu nutzen", so der Mediziner. Viele Frauen fühlen sich erleichtert, wenn sie eine Vertrauensperson bei Arztterminen und wichtigen Gesprächen in allen Phasen der Therapie an ihrer Seite wissen. Neben der emotionalen Unterstützung gehen andererseits wichtige Informationen in der Aufregung nicht so leicht verloren.

 

Checkliste für Patientinnen

Für Frauen mit Eierstockkrebs hat das Therapie-Team um Prof. Sehouli eigens eine PRIMING-Checkliste entwickelt, die Patientinnen im Arzt-Gespräch Orientierung bietet (siehe Infokasten). Priming ist ein vielversprechender Ansatz, der Frauen mit Eierstockkrebs noch besser auf die bevorstehende Krebstherapie vorbereitet. „Das Konzept haben wir an der Berliner Charité entwickelt und es wird aktuell gemeinsam mit anderen Kliniken und Kompetenzzentren erprobt - eingebettet in die Prähabilitation", so Prof. Dr. Jalid Sehouli, der abschließend ergänzt: „Parallel werden alle Maßnahmen in einer großen Studie evaluiert. Erfreulicherweise stellen sich immer mehr Zentren dem Thema."



Prof. Dr. med. Jalid Sehouli

Direktor der Klinik für Gynäkologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin (Campus Virchow-Klinikum, Campus Benjamin-Franklin), Leiter des Europäischen Kompetenzzentrums für Eierstockkrebs